(For our German speaking audience: a posting on an anti-Bush article in the cultural section of the German conservative daily FAZ. The FAZ article falsely claims a confession of President Bush (in an interview with ABC's George Stephanopoulos) that the Iraq war parallels the Vietnam war.)
An Bush-Feinden herrscht in den deutschen Medien wahrhaft kein Mangel. Eine ganze Armada deutscher Journalisten verliert regelmäßig Schlaf und Fassung schon bei der bloßen Erwähnung des Namens des amerikanischen Präsidenten. Doch selbst in den hart gesottensten Anti-Bush-Lagern findet sich sehr gelegentlich eine einsame Stimme zu seinen Gunsten, vielleicht als indirektes Geständnis, daß es man es mit der einseitigen Kritik an Bush doch etwas zu weit getrieben habe.
Nur eine Redaktion bleibt ihrer unbedingten Anti-Bush-Linie ohne pluralistische Ablenkung treu: das Feuilleton der konservativen FAZ. Wir haben uns bereits mehrfach (1, 2, 3) in diesem Blog gewundert und belustigt über die polemischen, einseitigen Artikel im FAZ-Feuilleton zu Amerika im allgemeinen und Präsident Bush im speziellen. Und es ist nicht die anti-amerikanische Linie der Redaktion alleine, die irritiert. Es ist auch die journalistische Qualität der Artikel, oder besser: die Abwesenheit von journalistischer Qualität.
Ein Musterbeispiel hierfür bietet Christian Geyer mit dem Artikel "Der Rest steht in den Sternen" im FAZ-Feuilleton vom 20. Oktober 2006 (S. 42). Der Artikel ist - wenn man es aus Mitleid mit dem Autoren zurückhaltend formulieren möchte - eine Ansammlung falscher Behauptungen und
phantastisch-unglaubwürdiger Schlußfolgerungen. Geyer verbindet in seinem Artikel ein Interview von Präsident Bush mit ABC-Reporter Stephanopoulos (einem ehemaligen Clinton-Mitarbeiter) mit der "Weltraum-Doktrin" der US-Regierung.
In dem Stephanopoulos-Interview war Präsident Bush auf einen Vergleich des Irak- mit dem Vietnam-Krieg angesprochen worden. Einen solchen Vergleich hatte der New York Times Kolumnist Thomas L. Friedman angestellt.
Dies ist eine Kurz-Version der entsprechenden Friedman-Passage in der NYT (ich habe keinen kostenlosen Zugang zu seinem Artikel, daher hier nur ein indirektes Zitat):
Friedman wrote in his New York Times column that "What we're seeing there seems like the jihadist equivalent of the Tet offensive," Friedman wrote, adding that jihadist Web sites frequently state how it is critical that the media war parallel the armed effort. (Hervorhebung durch mich)
Hier nun die entscheidende Passage des Bush-Stephanopoulos-Interviews (Quelle):
Stephanopoulos: "Tom Friedman wrote in the New York Times this morning that what we might be seeing now is the Iraqi equivalent of the Tet offensive in Vietnam in 1968. ... Do you agree?"
Bush: "He could be right. There's certainly a stepped up level of violence, and we're heading into an election."
"My gut tells me that they have all along been trying to inflict enough damage that we'd leave. And the leaders of al Qaeda have made that very clear. Look, here's how I view it. First of all, al Qaeda is still very active in Iraq. They are dangerous. They are lethal. They are trying to not only kill American troops, but they're trying to foment sectarian violence. They believe that if they can create enough chaos, the American people will grow sick and tired of the Iraqi effort and will cause government to withdraw." (Hervorhebung durch mich)
Es geht Bush und Friedman erkennbar um eine Einschätzung der Strategie von Al Queda, die amerikanischen Medien und damit die amerikanische Öffentlichkeit kurz vor Wahlen durch erhöhte militärische Aktivitäten in ihrem Sinne zu beeinflussen - so, wie dies 1968 den Nordvietnamesen und dem Viet Kong gelungen war. Die Tet-Offensive brachte zwar keinen militärischen Erfolg für die kommunistische Seite, wohl aber einen propagandistischen und politischen: U.S. Präsident Johnson entschied sich danach, nicht mehr zur Präsidentschafts-Wahl anzutreten.
In dem Stephanopoulos-Interview findet sich nicht der geringste Hinweis auf eine "Vietnamisierung", eine Aufweichung der entschlossenen Einstellung von Präsident Bush zum Irak-Krieg. Im Gegenteil, er kritisiert die unklare, unentschlossene Haltung der Demokraten im Vorfeld der Kongress-Wahlen im November:
Bush: "(...) I've always found that when a person goes in to vote, they're going to want to know what that person's going to do. What is the plan for a candidate on Iraq? What do they believe? Frankly, I hear disparate voices all over the place from the Democrats' side about Iraq. We got some saying: Get out. The person I ran against in 2004, Senator Kerry, said at a ... certain time, withdraw."
Stephanopoulos: "You've used some pretty tough rhetoric, though. You said this election's a choice between Republicans and Democrats who want to wave the white flag of surrender in the war on terror. Can you name a Democrat who wants to wave the white flag of surrender?"
Bush: "I can name a Democrat who said there ought to be a date certain from which to withdraw from Iraq, whether or not we've achieved a victory or not."
Stephanopoulos: "Is that surrender?"
Bush: "Yes, it is, if you pull the troops out before the job is done. Absolutely, George."
Stephanopoulos: "So you don't think that's questioning their patriotism when you say that?"
Bush: "No. I know it's not questioning their patriotism. I think it's questioning their judgment." (Hervorhebung durch mich)
Nochmals: Bush vermittelt nicht im Geringsten Anzeichen von Resignation oder nachlassende Energie im Kampf gegen Al Queda im Irak. Im Gegenteil: er kritisiert die Aufgabe-Mentalität der Demokraten. Aber was macht Christian Geyer aus dem Interview in seinem Artikel?
Jetzt ist auch noch das letzte semantische Tabu gefallen: Bush hat den Vergleich des Desasters im Irak mit dem nationalen Trauma Vietnam akzeptiert. Er tat es, indem er auf Nachfrage eines Fernsehjournalisten von „ABC news“ einem Kolumnisten der „New York Times“ recht gab, welcher die Lage im Irak mit einer Chiffre fürs Vietnam-Desaster - der Tet-Offensive im Januar 1968 - verglichen hatte. „Er könnte recht haben“, sagte Bush.
Drastischer hätte er dem Irak-Unternehmen den Totenschein nicht ausstellen können. Nicht der Gehalt der Einlassung ist unbedingt neu, wohl aber ihre metaphorische Unüberbietbarkeit. Man muß sich das vorstellen: Der Vietnam-Vergleich ist jetzt nicht länger Hetze notorischer Bush-Kritiker. Er ist nicht länger ein Ausweis antiamerikanischer Gesinnung. Er ist die regierungsamtlich autorisierte Beschreibung der Lage im Irak. (Hervorhebung durch mich)
Wie sollte man die Darstellung von Geyer einstufen? Als Fehlinterpretation? Als glatte Fälschung, als bewußte Verdrehung der tatsächlichen Äußerungen des amerikanischen Präsidenten? Kann Geyer kein Englisch? Oder glaubt er, die FAZ-Leser könnten kein Englisch?
Vielleicht aber ist Geyers Artikel doch nur als weiterer Beleg für das im FAZ-Feuilleton seit Jahren kursierende Virus des Bush Derangement Syndroms zu werten, dessen herausragenden Symptome Charles Krauthammer so definierte: "the acute onset of paranoia in otherwise normal people in reaction to the policies, the presidency -- nay -- the very existence of George W. Bush."
Übrigens - auch interessant in der gleichen Ausgabe des FAZ-Feuilletons: "Die Grube - Bush bringt seine Soldaten in Gefahr" von Niall Ferguson, sowie: "Politisches Übergewicht" - Fernando Botero erklärt, warum kein amerikanisches Museum seine Folterbilder (über Abu Ghraib) zeigen will". Meinungsvielfalt à la FAZ-Feuilleton: den bushteufel von allen Seiten beleuchten.
Hmm... ich denke doch, ich bleibe beim Bush Derangement Syndrome als wahrscheinlichster Erklärung für die Bush-Berichterstattung des FAZ Feuilletons.
Da paßt dann alles zusammen.
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