(As newspaper report, Germany' nobel prize winner and fiercely left-wing anti-American critic, Günter Grass, in 1944 became member of the "Waffen SS", a major Nazi military force. I will add an English version of my commentary in the next couple of days.)
Die Schlagzeile des Tages, heute in der FAZ: "Günter Grass: Ich war Mitglied der Waffen-SS".
61 Jahre nach Kriegsende gesteht der heute fast 80-jährige Nobelpreisträger - Literatur-Denkmal der deutschen Nachkriegszeit, der Doyen des Anti-Amerikanismus der deutschen Linken -, er sei 1944 in die Division Frundsberg der Waffen-SS eingetreten - freiwillig. Über die unwichtigen Einzelheiten dieses Eintritts informiere man sich im Interview im Feuilleton der FAZ, das aus Anlaß des Erscheinens seiner Autobiographie "Vom Häuten der Zwiebel" geführt wurde. Grass zu seinem Geständnis: "Das mußte raus, endlich."
In der Tat, endlich. Jahrzehntelang nährte Grass die Lüge, er sei 1944 als Flakhelfer eingezogen worden. Grass nun also ein Mitglied der Waffen-SS - jener Waffen-SS, die die Juden Ost-Europas in die Gaskammern trieb. Korrekterweise muß man allerdings darauf hinweisen, daß die Division Frundsberg 1944 und bis Februar 1945 wohl im Westen eingesetzt war, und erst danach in den Osten verlegt wurde. Grass selbst schweigt sich über die Einzelheiten seiner Waffen-SS-Zeit im Interview weitgehend aus.
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Günter Grass: Er folgte dem Ruf der Waffen-SS
Grass hat allerdings nie geschwiegen, wenn es um die Beschädigung anderer ging, denen eine SS-Verstrickung angeheftet wurde. Als Ronald Reagan und Helmut Kohl 1985 auf dem Friedhof von Bitburg kriegsgefallene Soldaten ehrten, als Ausdruck der Aussöhnung zwischen Deutschen und Amerikanern, höhnte Grass: „...eine Geschichtsklitterung, deren auf Medienwirkung bedachtes Kalkül Juden, Amerikaner und Deutsche, alle Betroffenen gleichermaßen verletzte“. Seine ätzende Kritik an Kohl und Reagan machte Grass an dem Umstand fest, daß - unter 2000 weiteren Gefallenen - auch 49 Mitglieder der Waffen-SS waren, allesamt 17- und 18-jährige. Frank Schirrmachers Hinweis in der FAZ, hier handele es sich "womöglich (um) Angehörige seiner eigenen Division", umschreibt die ganze Niedertracht der Grass'schen Kritik. Reagan hatte übrigens die gefallenen jungen Mitglieder der Waffen-SS als "victims of Nazism also . . . drafted into service to carry out the hateful wishes of the Nazis" bezeichnet.
Und natürlich ist die Mitgliedschaft eines 17-jährigen in der Waffen-SS erklärlich und verzeihlich, darauf weist auch Schirrmacher hin (Grass, selbstentschuldigend, übrigens auch). Was aber unverzeihlich
ist, ist die Scheinheiligkeit des "Praeceptor Germaniae", der die eigene verhängnisvolle Verstrickung in die Strukturen des SS-Staates verschwieg, gleichzeitig aber schärfste und polemischste Kritik am Verhalten anderer - an deutschen Konservativen, an Amerikas Regierung, an Israel - übte. Man darf diese Charakter-Spreizung durchaus als schäbig bezeichnen.
Hier einige Auszüge aus dem reichen Arsenal seiner Polemiken:
In einem Brief (1966) an Kurt Georg Kiesinger, kurz vor seiner Wahl zum Bundeskanzler:
Wie sollen wir den gefolterten und ermordeten Widerstandkämpfern, wie sollen wir den Toten von Auschwitz und Treblinka gedenken, wenn Sie, der Mitläufer von damals, es wagten, heute hier die Richtlinien der Politik zu bestimmen? (Quelle)In Berlin 1968
…unsere amerikanischen Verbündeten setzen in Vietnam Kriegsverbrechen fort, die als deutsche Kriegsverbrechen vom Nürnberger Tribunal, also auch von amerikanischen Richtern, zu Recht verurteilt worden sind. (Quelle)In "Zweite Berliner Begegnung - den Frieden erklären" 1983, zitiert von Hannes Stein in der WELT
Günter Grass warf der "Administration des US-Präsidenten Reagan" vor, sie strebe "die militärische Überlegenheit des Westens" an und habe "das Totrüsten des Gegners zum Ziel erklärt". (Quelle)Bei der Annahme des Nobelpreise 1999
Entsetzt sehen wir, daß der Kapitalismus, seitdem sein Bruder, der Sozialismus, für tot erklärt wurde, vom Größenwahn bewegt ist und sich ungehemmt auszutoben begonnen hat. Er wiederholt die Fehler seines totgesagten Bruders, indem er sich dogmatisiert, die freie Marktwirtschaft als einzige Wahrheit ausgibt, von seinen schier unbegrenzten Möglichkeiten berauscht ist und verrückt spielt, das heißt, weltweit Fusionen betreibt, die einzig den Profit maximleren. (Quelle, engl. Version)Kommentar in der LA Times vom 7. April 2003
The words of the current American president -- "Those not with us are against us" -- weighs on current events with the resonance of barbaric times. It is hardly surprising that the rhetoric of the aggressor increasingly resembles that of his enemy. ... Religious fundamentalism leads both sides to abuse what belongs to all religions, taking the notion of "God" hostage in accordance with their own fanatical understanding. (Quelle)In ZEIT, 2005
Was als neoliberal plakatiert wird, erweist sich, genau besehen, als Rückgriff auf die menschenverachtende Praxis des Frühkapitalismus. (Quelle)Über die dänischen Mohammed-Karikaturen 2006:
"This was a conscious and planned provocation by a right-wing Danish newspaper," said German Guenter Grass, who took the Nobel Prize in 1999. Grass described the Danish publishers of the caricatures as "xenophobic right-wing radicals" and the subsequent violent Muslim protests as "a fundamentalist response to a fundamentalist act." (Quelle)Auf dem Pen-Kongress in Berlin 2006:
Unter Hinweis auf das Kongressmotto "Schreiben in friedloser Welt" warf Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass in seiner Eröffnungsrede den USA vor, den Terrorismus "gezüchtet" zu haben und nun mit Waffengewalt besiegen zu wollen. Washington erkläre Diktaturen zu "Schurkenstätten" und festige damit nur das "fundamentalistische Machtgefüge". "Dümmer und deshalb gefährlicher kann Politik nicht sein", sagte Grass unter Beifall der Delegierten. Grass warf US-Präsident George Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair "Heuchelei" vor. Sie glichen jenen Priestern und Missionaren, "die seit Alters her Waffen segneten und mit der Bibel den Tod in ferne Länder trugen". (Quelle) (Unser Posting hierzu, siehe auch diesen interessanten Kommentar)
Beenden wir mit dem Vorwurf der Heuchelei, von Grass an Bush und Blair gerichtet, die - nicht repräsentative - Auswahl der Zitate. Grass verfügt schließlich über die moralische Berechtigung zum Vorwurf der Heuchelei wie kaum ein anderer...
Das Phänomen Grass ist wohl nur in psychologischen Kategorien faßbar. Meine - laienhafte - Erklärung ist, daß Grass in seinen Polemiken das eigene Schuldbewußtsein über die Mitgliedschaft in der Waffen-SS immer wieder aufs neue abzuarbeiten - zu büßen - sucht. Das wird gelegentlich schon sehr deutlich...
Aber wir wollen nicht zu kritisch mit Günter Grass umgehen. Er weiß sich zu verzeihen, und wir tun das auch. Um so mehr, als es eben auch Aussagen von ihm gibt, denen wir uneingeschränkt zuzustimmen vermögen:
Im Deutschlandfunk 1997
Natürlich gibt es auch unter Schriftstellern Opportunisten. ... Die deutsche Geschichte ist voll mit dieser Art von Wendehälsen. Also sollte ich nicht allzu sehr überrascht sein. Bedauerlich bleibt es trotzdem. (Quelle)
Vor Schülern, 2003
Haben wir von Ihnen eine Autobiographie zu erwarten?
Mit Sicherheit nicht.
Warum nicht?
Weil ich sofort anfangen würde zu lügen; es würde eine reine Lügengeschichte. Lügen, das kann ich ganz gut. (Quelle)
Nachtrag: Gerne möchte ich unsere Leser bitten, nach Zitaten von Grass zu suchen (Google wäre eine guter Start...), in denen er die Neigung der Deutschen bzw. der deutschen Politik kritisiert, die Vergangenheit vergessen zu wollen. Bitte in den Kommentaren mit Link aufführen. Danke!
Volle Zustimmung! Grass ist nicht vorzuwerfen, daß er in die Waffen-SS zwangseingezogen wurde (Zwangsversetzungen und Zwangseinziehungen in die Waffen-SS waren ab 1942 üblich und betrafen etwa 20% der Waffen-SS-Mitglieder, Weigerung wurde als Fahnenflucht und Befehlsverweigerung mit dem Tod bestraft), ebenfalls ist ihm nicht vorzuwerfen, daß er die Waffen-SS damals, wie viele, fälschlicherweise nur für eine militärische Eliteeinheit gehalten hat (dabei muß man beachten, daß die Waffen-SS mit der KZs betreibenden Totenkopf-SS und dem SD wenig zu tun hatte). Seine verlogene, falsche und heuchlerische Kritik an Kohl (wegen Bitburg), Kiesinger (wegen NSDAP-Zwangsmitgliedschaft) und co ist ihm aber umso mehr vorzuwerfen.
Was mir ebenfalls bitter aufgestoßen ist (aus FAZ, "Ich war Mitglied der Waffen-SS"):
"Grass stellt sich weiterhin als typischen Vertreter seiner Generation dar: Das Antibürgerliche am Nationalsozialismus sei entscheidend für die Mobilisierung seiner Generation gewesen."
So? Der Nazionalsozialismus war also eben nicht bürgerlich, sondern antibürgerlich? Grass hat recht, aber das hat er bisher immer anders dargestellt, wenn es darum ging, seine politischen Gegner als Halbnazis und Liberalismus (im klassischen Sinn, nicht "liberal" in den USA), Bürgerlichkeit und Konservatismus als Halbnazitum darzustellen.
Was für ein dreckiger, verlogener Heuchler.
Posted by: RZ | August 12, 2006 at 03:02 PM
'in die Waffen-SS zwangseingezogen'
Um, no, sorry. The SS is not the regular military.
That he was only 17 should be taken into account, but it was still his decision. For him to hush this up, only come out with this now (I guess there's a new book being published) should get him a Heuchler award of some kind. 'Beating a tin drum' should henceforth be a phrase to describe hypocritical political ass-hattery - I think it sounds catchy.
Posted by: Jesse | August 12, 2006 at 08:27 PM
Yes we can overlook everything. There is always some excuse. He was not responsible.
Still the hypocrisy he has displayed cannot be overlooked. Like so many Germans he has built his moral superiority on a mountain of shifting sand.
Posted by: joe | August 12, 2006 at 09:54 PM
Hier also schließt sich der Kreis.
Günter Grass sägt an dem Fahnenmast, auf dem er nun schon seit Jahrzehnten sitzt und die Welt um sich herum beschimpft - um nun selbst hart am Boden aufzuschlagen. War er betrunken?
Jemand wie er muss gewusst haben, was so eine Äußerung bewirkt. Vielleicht hatte er ja vor, nach seiner Biographie in den Ruhestand zu gehen und vorher nochmal ihren Verkauf anheizen wollen?
Ich freue mich auf den Tag, an dem der Rest dieser verlogenen Bande von den Straßen Berlins hinweggespült wird. Wenn auch die Menschen des öffentlichen Lebens wieder offen aussprechen dürfen, was sie denken - ohne von solchen Pharisäern demontiert zu werden.
Wenn die Sonne morgen aufgeht über Deutschland, dann hat sie einen guten Grund zu lächeln.
Posted by: Dave | August 13, 2006 at 12:47 AM
"Also lachen wir sie aus. Vielleicht könnte, wie in Hans Christian Andersens Märchen, das schlußendlich den Kaiser nackt sein läßt, ein nicht enden wollendes Gelächter den einen, den anderen Popanz bloßstellen, auf daß sie mit ihren Schleppenträgern verschwinden."
http://www.zeit.de/2006/22/Grass-Rede_xml?page=all
Günter Grass über Bush und Blair. Nun lache ich herzlich über ihn und all seine Bewunderer. Stehen sie und er selbst doch nur noch nackt da und wollen dies noch nicht einmal jetzt erkennen. Ein geldgeiler Lügner und seine Fans.
Posted by: Gabi | August 13, 2006 at 09:08 AM
"Dirty linen was quickly washed clean, with people being absolved of all responsibility. Counterfeiters were subsequently busy coining new expressions and putting them into circulation. Unconditional surrender was changed to "collapse". Although in business, law and in the rapidly re-emerging schools and universities, even the diplomatic service, many former National Socialists maintained their hereditary wealth, stayed in office, continued to hold on to their university chairs and eventually continued their careers in politics, it was claimed that we were starting from "zero hour" or square one. A particularly infamous distortion of facts can be seen even today in speeches and publications, with the crimes perpetrated by Germans described as "misdeeds perpetrated in the name of the German people"."
http://books.guardian.co.uk/departments/politicsphilosophyandsociety/story/0,,1478331,00.html
Posted by: Gabi | August 13, 2006 at 10:54 AM
I trust that since Herr Grass has been so vocal in his concern about human rights and alleged violations by the USA and other nations, he will follow up on his convictions and turn himself in to the appropriate authorities to face charges of crimes against humanity. I won't be holding my breath though.
Posted by: storm72 | August 13, 2006 at 02:00 PM
"Lizas Welt" über Grass! Bitte lesen!
http://lizaswelt.blogspot.com/
Posted by: Gabi | August 14, 2006 at 08:36 AM
Grass is such a putz that if it only weren't for this SS "Beziehung" I would have hoped that we would ignore this "linker Hund".
Posted by: Motorhead | August 14, 2006 at 11:20 AM
The Günter Ass case is further evidence for my contention that, because they were neither decidedly brought to justice after the 2. W.W. nor have decidedly brought themselves to justice since then, the Germans are still a fundamentally morally ill people and this is the real reason for their ongoing inability to become a “normal“people. G.G. is one of the worst exponents of that all-pervading anti-American, good human-being, good-German mentality of the old and new German Republic.
Posted by: fanfine | August 14, 2006 at 11:34 AM
Username franfine not fanfine!
Posted by: fanfine | August 14, 2006 at 11:41 AM
For those who believe he didn't know he was joining the SS, I have a bridge in Brooklyn I'd like to sell.
Posted by: LouMinatti | August 15, 2006 at 02:30 AM
Sigh. Can't anybody be bothered with research anymore? Grass didn't "promote the legend that he was just a Flakhelfer". His version until now was that he was first a Flakhelfer, and then was drafted to serve in the military - which was technically correct, but incomplete. A few years back, in a Spiegel interview, he even described details of his training as a tank gunner - which anyone not as oblivious to military matters as the interviewer then will recognize as having nothing to do with Flakhelfer duties.
Now I'm no friend of Grass. His high-horse moralism always got on my nerves. But I find the reactions to this revelation quite telling (and amusing.)
Posted by: tobyr | August 15, 2006 at 02:29 PM
Sigh, just as telling and amusing as your reaction, dear tobyr. :-)
Posted by: Gabi | August 15, 2006 at 08:58 PM
This...keeps getting better.
It seems that Grass' rather sudden pains of conscious precede the disclosure of archived info to the public:
http://www.ksta.de/html/artikel/1155449774481.shtml
How extra-ordinarily coincidental.
Posted by: Jesse | August 16, 2006 at 01:00 AM
The article is pure speculation - all "might have". But funny to see how the notoriously lying and distorting German media suddenly become very dependable...
In any case it is highly unlikely that information from this particular archive would have surfaced without Grass' consent. Then again, one could have probably determined his SS membership long ago by doing some background research. In the interview I mentioned, he provided the timeframe and the location of his training IIRC, which might already have narrowed it down enough to determine his unit.
Furthermore, the "previously unknown documents obtained by SPIEGEL" which proved that he freely admitted his SS membership to his American captors in 1945 were likely present in the former WASt for ages - just nobody bothered to look. Then again, people who translate "Ladeschütze" as "marksman" (not that the American authorities hit the 'mark' any better with "Rifleman", but they have a better excuse with the language barrier) probably can't be bothered to do basic historical research.
Personally, I am leaning to the "PR stunt for his new book" interpretation that a Polish newspaper speculated upon. Grass is, if nothing else, an attention whore.
Posted by: tobyr | August 16, 2006 at 03:47 AM
I like tobyr's word "attention whore". And Ulrich Wickert is the mother of the whore, when he recommended to read his book instead of giving an explanation, why so late.
Posted by: Gabi | August 16, 2006 at 08:25 AM