(English translation at end of posting)
Das in dieser Woche bekannt gewordene Interview von David Kelly mit der BBC vom Oktober 2002 hat in den Medien unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
In der britischen Presse (Guardian, Independent) wird überwiegend darauf hingewiesen, daß die Reputation der BBC durch den Panorama-Bericht (Transkription), in den das Kelly-Interview eingespielt war, zusätzlich beschädigt wurde. Es wird gefragt, warum die BBC nicht früher das Interview öffentlich gemacht habe. Auch wird durch das Statement von Dr. Kelly, Saddam sei eine unmittelbare Gefahr ("immediate threat"), der innerhalb von Tagen seine Waffen gefechtsklar machen könne, der Verdacht widerlegt, die Blair-Regierung habe eine Bedrohung erfunden.
Hingegen behauptet die Süddeutsche Zeitung:
David Kelly hat eine solche Aussage nicht getroffen. Die Transkription des Interviews gibt überhaupt keinen Beleg für die Aussage, Kelly habe Blair widersprochen. Kelly nimmt zu der 45-Minuten-Frage gar nicht nicht Stellung:In einem ... BBC-Interview aus dem Oktober 2002 widerspricht (Hervorhebung durch uns) der Waffenexperte David Kelly jedoch der Behauptung von Premier Tony Blair, wonach der Irak in der Lage gewesen sei, binnen 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einzusetzen.
In der Befragung durch die Hutton-Kommission (ebenfalls im Transkript der Panorama-Sendung aufgeführt) weist Kelly eindeutig die Behauptung zurück, die 45-Minuten-Behauptung in einem BBC-Interview aufgestellt zu haben. Was für ein phantasievoller Umgang der Süddeutschen Zeitung mit der Wahrheit - und dies von einer Zeitung, die noch die winzigste Ungenauigkeit in den Argumentationen Bushs oder Blairs unbarmherzig kritisiert! Immerhin: die Süddeutsche Zeitung ist nicht allein mit der feindseligen Einstellung gegenüber Blair. Der arabische Nachrichtensender Al Jazeera, antisemitisch und anti-amerikanisch, weiß zu berichten:INTERVIEWER Are they (Saddam’s weapons) an immediate threat? DAVID KELLY Yes, they are. Even if they’re not actually filled and deployed today, the capability exists to get them filled and deployed within a matter of days and weeks, and so yes, they’re a real threat.”
Die Süddeutsche Zeitung und Al Jazeera müssen sich beim Thema "Kampagnenjournalismus" von niemandem übertreffen lassen! Wenn am 28. Januar der Hutton-Bericht herauskommt, der mit Gewißheit schärfste Kritik am Verhalten der BBC üben wird, dürfen wir uns sicher wieder auf eine unvoreingenommene Berichterstattung deutscher und arabischer Elite-Medien freuen...The airing of a television documentary featuring the late weapons expert Dr David Kelly has dealt another blow to the Blair government. ... In the interview, the weapons expert stated that Iraq could deploy weapons of mass destruction within days or weeks, rather than the 45 minutes initially mentioned in the controversial government dossier.
English translation
Biased Reporting From Sueddeutsche Zeitung and Al Jazeera
This week's report on the BBC interview with David Kelly in October 2002 has resulted in different media reactions.
The British media (Guardian, Independent) mostly stress that the reputation of the BBC is being tarnished by the Panorama report (Transcription), that contains the Kelly interview. The media ask why the BBC has not made public the interview at an earlier date. Kelly's statement that Saddam was an "immediate threat", who could deploy weapons within days, refutes the suspicion the Blair government had made up the threat.
Contrary to this position, the Sueddeutsche Zeitung maintains:
In fact, David Kelly did no such thing. The interview's transcript does not contain a rejection by David Kelly of anything Blair has said. Kelly does not address the 45 minute question at all:In a BBC interview from October 2002 the weapons expert David Kelly rejects (our emphasis) the assertion by Prime Minister Blair, Iraq could have deployed weapons of mass destruction within 45 minutes.
During the Hutton inquiry (which is contained in the Panorama report as well) Kelly clearly reject the notion of him having made the 45 minute assertion in a BBC interview. What a creative dealing of the Sueddeutsche Zeitung with the truth - and this from a newspaper that harshly criticizes even the slightest discrepancy in the statements of Bush or Blair! In any case: the Sueddeutsche Zeitung is not alone in it's hostile treatment of Blair. The Arabian News Channel Al Jazeera (antisemitic and anti-American) reports:INTERVIEWER Are they (Saddam’s weapons) an immediate threat? DAVID KELLY Yes, they are. Even if they’re not actually filled and deployed today, the capability exists to get them filled and deployed within a matter of days and weeks, and so yes, they’re a real threat.”
The Sueddeutsche Zeitung and Al Jazeera sure know a thing or two on biased reporting! When on January 28 the Hutton report will be published - the BBC's behavior will almost certainly be criticized harshly - we will eagerly look forward to the biased reporting of German and Arabic elite media...The airing of a television documentary featuring the late weapons expert Dr David Kelly has dealt another blow to the Blair government. ... In the interview, the weapons expert stated that Iraq could deploy weapons of mass destruction within days or weeks, rather than the 45 minutes initially mentioned in the controversial government dossier.
A notable positive exception to the rule of the German media's twisting the truth regarding the Kelly affair can be found in 'Zeit' online. I'm glad to see that there are still some objective journalists here...
http://www.zeit.de/2004/05/bbc
Posted by: Thomas | January 23, 2004 at 04:54 PM
Remarkable is, that Blairs arms-expert comitted suicide with a knife in a public park.
In Britain its forbidden to carry knifes in public.
Posted by: Gti | January 28, 2004 at 09:11 AM
http://www.weltwoche.ch/ressort_bericht.asp?asset_id=6943&category_id=60
Hervorragender Artikel von Edward Lucas, Privilegien, Leichtsinn, Überheblichkeit
Das englische Original muß ich noch suchen.
Auszüge:
Schlimmer noch, sie hat, auf der Jagd nach der Quote und aus Sorge, die Zuschauer zu langweilen, seriöse politische Informationssendungen gekippt oder auf einen mitternächtlichen Abstellplatz verlegt.
Diese Abkehr vom seriösen Journalismus scheint unwiderruflich. Leichte Kost verdrängt die «trockene» politische Berichterstattung. In den letzten Jahren wurden die besten und erfahrensten Journalisten entlassen. So etwa Mark Tully, der langjährige Korrespondent in Neu-Delhi mit seinen legendären, weithin bewunderten Reportagen vom Subkontinent, weil er aufgrund seines Alters und seines Akzents für jüngere Zuschauer nicht mehr zumutbar schien. Mit Kate Adie, der fähigsten und zähesten Auslandskorrespondentin in der Geschichte der BBC, wurde ähnlich umgesprungen.
Jüngst wurde das auch im Ausland anerkannte Magazin «Correspondent» gekippt und durch «This World» ersetzt, eine Sendung, die alle Vorzüge der neuen BBC besitzt. Sie ist nett, locker, zwanglos. Und furchtbar schlecht.
Die beste Charakterisierung der BBC-Position lieferte eine Redaktorin von Radio 4, die vom Programm ihres anspruchsvollen Hörfunksenders sagte, man wende sich an Hörer, die «den Unternehmern, Amerika, den Naturwissenschaften und den Politikern ablehnend gegenüberstehen».
Im Kern ist das die linksliberale, grün angehauchte Einstellung, die fast alle BBC-Journalisten vertreten. So gilt als ausgemacht, dass George W. Bush ein gefährlicher Trottel ist, dass für die meisten Probleme der Welt Amerika verantwortlich ist, dass Israel schlecht ist, die Palästinenser gut sind, dass mit höheren Staatsausgaben in den westlichen Ländern alle Übel der Welt zu kurieren sind, von der Armut bis hin zur Umweltverschmutzung, dass Politiker und Unternehmer raffgierige Lügner sind, wohingegen sich die NGOs und die Vereinten Nationen nur von altruistischen Motiven leiten lassen. Die gleichen Vorurteile bestimmen den Blick auf die Geschichte (für das britische Empire muss man sich schämen), auf die Religion (die Kirche ist heuchlerisch und repressiv) und auf gesellschaftliche Fragen (Frauen sind grundsätzlich gut, Männer grundsätzlich schlecht).
Eingeengte Weltsicht der Redaktoren
Gewiss vertreten viele Hörer und Zuschauer eine ähnliche Haltung, und sie bringen der BBC grosse Sympathie entgegen. Aber es gibt eben auch viele Menschen, die diese modisch-liberalen Auffassungen nicht immer beziehungsweise überhaupt nicht teilen. Beispielsweise die britische Regierung.
Das führt zu katastrophalen Fehlern in der redaktionellen Arbeit. Institutionen wie der katholischen Kirche, aber auch der Regierung Bush schlägt eine solche Feindseligkeit entgegen, dass die Bereitschaft, mit der BBC auch weiterhin zusammenzuarbeiten, nicht besonders gross ist.
Seit ein Washingtoner BBC-Korrespondent einen arroganten Bericht über die angeblichen intellektuellen Unzulänglichkeiten von Präsident Bush brachte, vermeidet die Umgebung des Präsidenten jeden Kontakt mit der BBC. «Ist doch Zeitverschwendung», sagt Richard Perle, ein Pentagon-Berater. «Es interessiert sie nicht, was wir sagen. Sie wollen uns bloss als rechte Monster hinstellen, um den Leuten Angst zu machen.» Perle gibt der BBC grundsätzlich keine Interviews mehr.
Sich zu beschweren, bringt nichts. Kritische Kommentare, die regelmässig zusammengestellt werden, dienen offenbar nur als Material für Spott. Man erhält den Eindruck, als beschwerten sich witzige, aber lächerliche Exzentriker, die man nicht ernst zu nehmen braucht. Beschwerden aus gewichtigeren Kreisen stossen auf bürokratischen Widerstand. Und wenn sich die Regierung beklagt, was häufig geschieht, betrachtet das die BBC als einen unverschämten Angriff auf ihre journalistische Freiheit. Auf den Gedanken, mit ihren Programmen und der Arbeitsweise ihrer Mitarbeiter könnte etwas nicht stimmen, scheint man bei der BBC nur selten zu kommen.
Doch der Hutton-Bericht stellt einen Wendepunkt dar. Sympathie und Bewunderung sind aufgebraucht. Der Sender hat sich mit seiner arroganten Art allzu viele Feinde gemacht. Politiker haben keine Angst mehr, das Missfallen der BBC zu erregen. Viele andere Sender stehen für Interviews zur Verfügung. Der privilegierte Status der BBC lässt sich immer schwerer rechtfertigen. Um mit den Privatsendern zu konkurrieren, brauchte die BBC noch mehr Geld, um auf der Quotenjagd noch trivialere Programme senden zu können. Dazu wird es nicht kommen. Abspecken ist angesagt. Weniger Geld, ein bescheideneres Mandat: deprimierende Aussichten für die alte Tante. Aber sie hat ihren Anspruch auf ein komfortables Leben verwirkt – durch Missbrauch ihrer Privilegien, durch Leichtsinn, Verschwendungssucht und Überheblichkeit. Wenn sie weiter unter uns bleiben will, muss sie lernen, sich bescheidener und aufmerksamer zu verhalten.
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork.
Posted by: Gabi | February 10, 2004 at 03:53 PM