(English translation at end of post)
Präsident Bushs Besuch in Bagdad hat die deutschen Medien völlig unvorbereitet getroffen. Normalerweise wissen unsere Journalisten von internationalen Besuchen und Auftritten Bushs weit im voraus; das erlaubt es ihnen, das deutsche Publikum durch Skepsis, Kritik und Häme rechtzeitig zu immunisieren.
Aber dieses Mal war alles anders: die Bilder vom Auftritt Bushs bei dem Thanksgiving-Essen amerikanischer Soldaten in Bagdad wurden zunächst praktisch unkommentiert dem deutschen Publikum präsentiert. Erste deutsche Medien-Reaktionen waren sogar von Respekt für einen gelungenen PR-Coup geprägt. Hier einige Passagen aus der Ansprache Bushs an die Soldaten:
"Ich war auf der Suche nach einem warmen Essen. Vielen Dank für die Einladung zum Dinner. ... Ich kenne keine bessere Gruppe von Leuten, mit denen ich das Thanksgiving Dinner haben könnte, als mit Euch. Heute versammeln sich überall Amerikaner mit ihren Familien und bedanken sich für das viele Glück in unserem Leben. Und dieses Jahr sind wir besonders dankbar für den Mut und die Opfer, die diejenigen erbringen, die uns verteidigen - die Männer und Frauen des Militärs der Vereinigten Staaten.Ich bringe eine Botschaft im Auftrage Amerikas: Wir bedanken uns für Euren Dienst, wir sind stolz auf Euch, und Amerika steht fest hinter Euch. Wir haben gemeinsam einen Eid geleistet, unser Land zu verteidigen. Ihr haltet diesen Eid. Das Militär der Vereinigten Staaten macht einen großartigen Job. Ihr vernichtet die Terroristen hier im Irak, sodaß wir sie nicht im eigenen Land erleben. Ihr vernichtet die Verbrecher Saddams, sodaß die Menschen im Irak in Frieden und Freiheit leben können. ...
Jeder von Euch ist dem Ruf gefolgt, um in einen historischen Moment der Weltgeschichte teilzunehmen. ... Unser Militär hat die feinsten Menschen auf der Welt. Ich bin stolz, Euer Chef zu sein. Ich bringe Grüße von Amerika. Möge Gott Euch schützen." (eigene Übersetzung)
Spät nun berappeln sich - wie nach einem Niederschlag aufgrund einer harten Rechten - unsere Journalisten und würzen ihre Berichte und Kommentare über den Bagdad-Besuch Bushs mit den üblichen Unterstellungen und Herabsetzungen:
US-Verluste im Irak: Die unsichtbaren Toten Der Truthahn-Coup zu Thanksgiving in Bagdad ist George W. Bush gelungen. Doch die toten US-Soldaten im Irak werden für das Weiße Haus immer mehr zur Hypothek. Und wenn es um Verluste geht, ist der US-Präsident zu Hause ein Leisetreter.
Der mächtigste Mann der Welt hat sich zu nächtlicher Stunde zu seinen Truppen in den Irak hinein und wieder heraus geschlichen, wie ein Fuchs in den Hühnerstall. Das sagt viel über die Fortschritte bei der Befriedung des Irak aus. Sieger, Befreier zumal, sehen anders aus.Für die Iraker war der Trip des Präsidenten ohnehin ein Nicht-Besuch. ... Keines der drängenden Probleme des Landes ist bei dem Blitz-Besuch Bushs zur Sprache gekommen, geschweige denn einer Lösung näher gebracht worden. ... Bush hat den Irak mit seinem Besuch behandelt wie einen US-Flugzeugträger und damit die Iraker tief verletzt.
Bushs Blitzbesuch in Bagdad Allein dass seit dem offiziellen Ende der Hauptkampfhandlungen Anfang Mai mehr als 180 US-Soldaten getötet wurden, zeigt: Die USA bekommen die Lage im Irak bislang definitiv nicht unter Kontrolle. Wohl inszenierte PR-Trips allein werden daran nichts ändern können.
Ich fürchte, die deutschen Medien kommen dieses Mal zu spät. Die Menschen haben die ungefilterte Nachricht des patriotischen Auftritts Bushs in Bagdad wohlwollend zur Kenntnis genommen. In den deutschen Redaktionsstuben wird man das Protokoll dieses Unfalls in der Kategorie "Da kann man nichts machen" ablegen müssen...
Nachtrag: Der irakische Blogger "The Mesopotamian" hat zum Bush-Besuch dies zu sagen:
"Obwohl der Besuch kurz war, war er sehr wichtig. Wir wissen, daß Sie nicht als Präsident einer Nation kommen, die uns überfällt, sondern als Freund, der sein Versprechen an unser Volk erneuert, und solange Ihre Absichten die sind, die Sie wiederholt genannt haben (und wir haben keinen Anlaß, an Ihrer Ernsthaftigkeit zu zweifeln), begrüßen das Land und die Herzen Sie.Es schmerzt uns, daß der Besuch so kurz war, und daß die Massen unter den gegenwärtigen Umständen nicht herauskommen können, um Ihnen das Willkommen bereiten, das Sie verdienen, aber der Tag wird kommen, der Tag wird kommen (so Gott will). Ja, der Tag wird kommen, wenn Millionen herauskommen, um den besten Freund zu begrüßen, den das mesopotamische Volk je hatte."
Wirkt sehr fremd für deutsche Ohren und Augen, die nur die negative Irak-Berichterstattung deutscher Medien wahrnehmen. Ich dachte, die Iraker hassen alle George W. Bush...
English translation
President Bush's visit to Baghdad caught the German media completely off guard. Normally, our journalists know about Bush's international visits and appearances far in advance; that gives them the time they need to immunize the German audience with skepticism, criticism and spite.
But this time everything was different: the pictures from Bush's appearance at the Thanksgiving meal for American soldiers in Baghdad were initially presented to the German audience practically without comment. The first reactions of the German media were even marked by respect for a successful PR-coup. Here are some passages from Bush's speech to the soldiers:
"I was just looking for a warm meal somewhere. Thank you for inviting me to dinner. ... I can't think of a finer group of folks to have Thanksgiving dinner with than you all. We're proud of you. Today, Americans are gathering with their loved ones to give thanks for the many blessings in our lives. And this year we are especially thankful for the courage and the sacrifice of those who defend us, the men and women of the United States military. ...I bring a message on behalf of America: We thank you for your service, we're proud of you, and America stands solidly behind you. Together, you and I have taken an oath to defend our country. You're honoring that oath. The United States military is doing a fantastic job. You are defeating the terrorists here in Iraq, so that we don't have to face them in our own country. You're defeating Saddam's henchmen, so that the people of Iraq can live in peace and freedom. ...
Each one of you has answered a great call, participating in an historic moment in world history. ... Our military is full of the finest people on the face of the earth. I'm proud to be your commander in chief. I bring greetings from America. May God bless you all."
Slowly but surely our journalists are coming to - as if they'd just been knocked down by a hard right - and are beginning to flavor their reports and commentaries on Bush's Baghdad visit with the usual misrepresentations and belittlements.
US losses in Iraq: The invisible dead George Bush succeeded in his turkey coup on Thanksgiving in Baghdad. But the dead US soldiers in Iraq are becoming more and more of a burden of guilt for the White House. And when it comes to losses the President has always been one to tread softly.
The most powerful man in the world visited his troops under the cover of night slipping in and out like a fox in a chicken coup. That says a lot about the progress being made towards the pacification of Iraq. Victors, liberators at least, look different.For the Iraqis the President's trip was a non-visit anyway....None of the country's urgent problems were discussed during Bush's lightning visit, not even to mention a solution to the problems brought closer....Bush treated Iraq like an aircraft carrier and in so doing deeply injured the Iraqis.
Bush's lightning visit in Baghdad Alone the fact that more than 180 US soldiers have been killed since the official end of the main combat operations at the beginning of May shows: The USA have definitely not got the situation in Iraq under control up to now. And well-scripted PR trips alone will do nothing to change that.
I'm afraid the German media are a bit too late this time. The people recognized and took in the unfiltered report on the patriotic appearance of Bush in Baghdad. The German editorial sections will have to place this accident into the category "things we can't do anything about"...
Translation by Ray D..
Update: The Iraqi blogger "The Mesopotamian" had this to say to the Bush visit:
"Yes GWB, though the visit was brief, it was very meaningful. We know that you have come, not as the President of an invading nation, but as the friend who wishes to renew commitment to our people, and as long as your intentions are what you have repeatedly said (and we don't doubt your sincerity), the land and the hearts welcome you.It gives us pain that the visit is so short and that the masses cannot in the present circumstances come out to give you the welcome that you deserve, but the day will come, the day will come (God's Willing). Yes the day will come when the millions will come out to welcome the best friend that the Mesopotamian people have ever had, and he will be amongst the most devoted and allied people that America will ever have."
Sounds and looks strange for German ears and eyes - they are only used to negative reporting on Iraq by German media. I thought, all Iraqis hate George W. Bush...
Spiegel Online scheint heute aber auch wirklich alles zu geben:
- US-Division rechnet mit Nachkriegs-Politik ab.
- Senioren in Handschellen. Die US-Bundespolizei FBI nimmt Kriegsgegner und Bush-Kritiker als potenzielle Terroristen ins Visier. Selbst harmlose Protestler laufen nun Gefahr, auf die FBI-Abschussliste zu geraten.
Dann für alle, die das angeblich 'andere Amerika' lieben und 'nur gegen Bush sind':
- Hillary Clinton in Bagdad
Und als Sahnehäubchen obendrauf:
- VERBLÜFFUNG BEIM REGIERUNGSRAT. "Bush hat nicht den Irak besucht"
Sagt ein Mitglied des Rates, was aber erst weiter unten im Text deutlich wird. Daß Bush darüber hinaus sehr wohl vier Mitglieder des Rates getroffen hat, war nur 'mehr zufällig' geschehen, "weil sie zu dem Abendessen am amerikanischen Erntedankfest eingeladen waren, bei dem Bush unverhofft auftauchte". Daß man auch so etwas vielleicht vorher bewußt geplant haben könnte, ist natürlich unmöglich, denn die dummen und arroganten Amerikaner interessieren sich ja schließlich nur für ihre eigenen Leute.
Und die Demonstration gegen den Terrorismus, die man m. E. als kleinen, aber sehr erfreulichen Schritt in eine gute Richtung betrachten kann, "wandte sich vor allem gegen den Tod von irakischen Zivilpersonen bei Übergriffen auf US-Soldaten", was im Umkehrschluß soviel heißt, daß die Tötung von US-Soldaten von den Demonstranten schon gebilligt wird. Nachweis? Fehlanzeige.
Posted by: Thomas | November 28, 2003 at 05:56 PM
Total lustig sind auch die Besprechungen amerikanischer Filme beim Spiegel. z.B. die von "S.W.A.T.":
Regisseur Clark Johnson hat filmgeschichtlich betrachtet vielleicht genau das Richtige getan: Er hat "Cops", eine tendenziell reaktionäre US-Fernsehserie der siebziger Jahre, auf Spielfilmgröße hochgerüstet, mit einer Truppe Stars vollgestopft und zu einer Zeit ins Kino manövriert, da in Amerikas politischem Klima das Wort liberal nicht selten als Schimpfwort gilt.
"Cops" ist natuerlich eine Reality TV Serie auf FOX; der Film bezieht sich auf die Serie S.W.A.T. (in Deutschland "Die knallharten Fuenf" RTL 1992) und wenn jemand, der nicht einmal den Titel richtig recherchieren kann, die Serie als "tendenziell reaktionaer" bezeichnet, dass weiss man, man liest im tendenzioesen Spiegel.
100 Millionen Dollar für den Befreier, verkündet er vor laufenden Kameras. (...)
Mehrere Millionen Dollar hat nämlich auch die aktuelle US-Regierung auf die Ergreifung eines Top-Terroristen ausgesetzt, strukturell, so suggeriert der Film, operieren Superschurken und Weltmächte also ähnlich. Aber solche Überlegungen gehören zum ganz und gar unmännlichen Metier der Theoriearbeit - deshalb schell Schluss damit.
Ja, aber ganz schell bitte!
Posted by: schell, schell! | December 07, 2003 at 10:53 AM
"Cops", "S.W.A.T.", it's all the same. Dumme Amis.
Noch ein Beispiel der Gruendlichkeit der deutschen Medien.
Posted by: kid charlemagne | December 07, 2003 at 11:37 PM