(English summary at end of post)
Das Feuilleton der - eigentlich eher konservativen - Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) hat sich in den vergangenen Jahren einen stabilen Ruf als Exerzierplatz antiamerikanischer Meinungen erarbeitet. Der Bericht "Amerikas Reservisten - Wir sind keine Helden" in der Print-Ausgabe vom 18.9.03 ist ein weiteres Schmuckstück dieser Kategorie.
Der Autor Hans-Peter Riese schildert das tragische, traurige, bedauernswerte Los der im Irak eingesetzten Mitglieder der amerikanischen National Guard und der Reserveeinheiten der US Armee. Der Bericht ist durchsetzt von geschickt eingestreuten Angriffen auf die US-Regierung:
"Heute sieht die Werbung für die verschiedenen Waffengattungen der amerikanischen Berufsarmee natürlich anders aus. In den Fernsehspots wird der letzte Stand der Filmästhetik genutzt. Vor einer blutrot untergehenden Sonne sieht man dort beispielsweise den Schattenriß eines voll bewaffneten Soldaten, und eine sonore Stimme aus dem Off verspricht allen Ernstes in der Armee Abenteuer, Selbstverwirklichung und Bildung. Daß gelegentlich auch gestorben werden muß, verschweigt diese Werbung natürlich. Das gilt in dem jüngsten Krieg der Amerikaner zunehmend auch für dort eingesetzte Reservisten. ...Was im patriotischen Überschwang der ersten Monate nach dem Beginn des Irak-Krieges von den Medien einfach unter den Teppich gekehrt worden war, läßt sich nun nicht mehr verschweigen. Die zivilen Existenzen vieler dieser Soldaten auf Zeit stehen vor dem Ruin. ...
Anders sieht das für Selbständige aus, deren oft kleine Firmen ohne den Chef in Schwierigkeiten geraten und häufig Bankrott anmelden müssen. Solchen Unternehmern, die von Präsident Bush bei jeder sich bietenden Wahlkampfgelegenheit als vorbildliche "entrepreneurs" gepriesen werden, kommt der "Dienst am Vaterland" dann teuer zu stehen, und sie beginnen sich zu wehren. ...
Zwar wird offiziell mitgeteilt, die Bewerbungen hätten nicht nachgelassen, sondern im Gegenteil, es seien nach dem 11. September mehr Anträge an die Nationalgarde und die Reserve gestellt worden als je zuvor. Verschwiegen aber wird, daß immer mehr Soldaten ihren vorzeitigen Abschied nehmen wollen und die Einheiten dadurch gerade ihre qualifiziertesten Soldaten verlieren. So wird denn erst einmal die Propaganda, wie es unter dem Präsidenten Bush in allen Regierungsbereichen üblich geworden ist, intensiviert, anstatt sich dem Problem selber zuzuwenden. (Hervorhebung durch mich) ...
Aber solche Propaganda-Berichte, die direkt vom Pentagon verbreitet werden und immer noch von vielen Zeitungen, vor allem in der Provinz, gerne gedruckt werden, verblassen langsam angesichts der immer offensichtlicher werdenden Probleme, die mit der massenhaften Mobilisierung der Reserven einhergehen. ...
Es fragt sich allerdings, wann der Wahlkampf auch dieses Thema hochspülen wird. Einstweilen sind unter den Kandidaten der Demokraten allerdings noch zu viele, die patriotisch für den Irak-Krieg gestimmt haben."
Riese kann - wie auch andere deutsche Korrespondenten in den USA - mit dem "patriotischen Überschwang" der Amerikaner nichts anfangen. Gelegentlich hat man den Eindruck, eine negative, skeptische Grundhaltung gegenüber den USA ist eine unabdingbare Einstellungsvoraussetzung für deutsche Washington-Korrespondenten...
Man spürt: Riese würde zu gerne eine regierungskritische, unpatriotische Einstellung der Amerikaner herbeischreiben, er würde zu gerne ein Gefühl wachsender Probleme und zunehmender Hoffnungslosigkeit in den USA als Folge des Irak-Krieges initiieren - aber ihn nehmen die Amerikaner natürlich überhaupt nicht wahr, sondern nur Deutsche, und die sind durch die Medien hierzulande bereits ausreichend antiamerikanisch dressiert.
Die Behauptung, die Werbung für die US Armee verschweige, "daß gelegentlich auch gestorben werden muß", ist nachweislich nicht wahr. Die Site der National Guard hat auf der Homepage einen nicht zu übersehenden Link zu einer Seite "In Memoriam", mit den Namen umgekommener Mitglieder der National Guard.
Übrigens: Riese wurde 2003 von der Steuben-Schurz-Gesellschaft ausgezeichnet für "tatsachengetreue, faire und unabhängige Amerika-Berichterstattung". Und so beschreibt sich Riese selbst in einem Zitat in mercurynews.com: "Meine Kollegen und ich wurden alle sozialisiert in den späten 60-igern mit der Anti-Vietnam-Bewegung und dem Studenten-Aufstand in Deutschland und dem antiamerikanischen Ansatz..."
Summary: Germany's conservative daily "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) grieves about the fate of US National Guard members on active duty in Iraq. The author Hans-Peter Riese blames "propaganda" of the US government for a lack of understanding of the sorry destiny of National Guard members. According to the FAZ their families go broke while their fathers resp. mothers are in Iraq. Also, the FAZ maintains the US government keeps quiet about deaths of National Guard member during the war in Iraq.
"They (the US government) would rather increase their propaganda - as it has become a custom in the Bush era in all areas of governement - instead of dealing with the problems directly." Riese hopes the topic will gain importance during the presidential election campaign. "However, there are still too many Democrats who out of patriotism voted for the war in Iraq."
It is apparent that the author Hans-Peter Riese wants to foster criticism of the war in Iraq. Too bad for him, few Americans read the FAZ - and the Germans who do are already sufficiently programmed by German media to react negatively to the US government's Iraq policy.
BTW: Riese received a honorary award by the Steuben-Schurz-Gesellschaft for "unbiased, fair and independent reporting on the US". And this is how Riese described himself in a mercurynews.com quotation: "My colleagues and I, we were all socialized in the late 1960s with the anti-Vietnam War movement and the uprising of students in Germany and the anti-American approach..."
Actually the spots for the US Army that were frequently aired on commercial TV and which I occassionally watched when still living in the US are a bit scary in the way they depict a deadly business. They are a bit archaic, to put it mildly.
On the other hand the Army there (unlike here in Germany)is based (more or less) on voluntarism and not drafting. As such it is closer to an enterprise which of course has to present and "sell" itself just like any other venture, cynical as that may sound.
But what's really interesting in this depiction of Riese is the presence of a very typical German problem: Envy. I would say at the bottom of his heart Riese is envious of a nation that so openly, freely displays its pride and patriotism WITHOUT ONE GRAIN OF A BAD CONSCIENCE. I am not saying that patriotism is automatically a good or a necessary thing -- but that particularly blassé attitude of the German intellectual, socialized in the 60s, is at times even less bearable, because in essence it too carries an element of a patriotism, only a patriotism running rampant: which in its German form is usually the feeling of a moral and intellectual superiority.
Posted by: Thomas Noller | September 18, 2003 at 12:37 PM
Erneut ein groteskes Beispiel dafür, wie sehr antiamerkianische Töne salonfähig geworden sind. Ich habe die FAZ eigentlich immer recht gern gelesen, und ein paar Feuilleton-Beiträge waren sogar relativ reflektiert, doch auch mir sind in letzter Zeit zahlreiche "outliers" aufgefallen.
Übrigens, ein weiteres übles Beispiel für Anti-Amerikanismus: der Spiegel stellt Rumsfeld, Cheney, Rice et al. visuell und inhaltlich auf eine Stufe mit Baghdad Bob, alias Mohammed al-Sahaf, ehemaliger irakischer Propagandaminister. Alles unter dem Titel "der große Bluff". Und da beschwert sich Deutschland, mit Syrien auf eine Stufe gestellt zu werden (Rumsfeld)?
Posted by: hans ze beeman | September 18, 2003 at 12:45 PM
Alarmierend ist es, dass die deutschen Medien so ziemlich einstimmig, jenseits der Tatsachen gehend oder derartige "Kleinigkeiten" einfach uebersehend, die Motiven der amerikanischen Behoerden bedenklich erscheinen lassen. (Natuerlich gibt es Ausnahmen, ab und zu z. B. ein Artikel in Der Zeit, sie bleiben aber Ausnahmen. Und lange Widerlegungen von Verschwoerungstheorien erwecken den Eindruck, als seien sie einer Widerlegung wuerdig.) Wohl am meisten in der angeblich unabhaengigen Presse ist eine solche allgemeine Tendenz fehl am Platz. Angesichts der Ausbreitung dieser Position in den Medien ist es aber kein Wunder, wenn die Verschwoerungsglaeubigen Berlin als Versammelungsort gewaehlt haben.
Als politisches Phaenomen betrachtet, sind die Ressentiments, die dabei ans Licht treten--und T. Noller hat Recht, auf den merkwuerdigen Neid der neu-alten Amerikagegnern, dessen Opposition zunehmend als ein Alibi fuer einen eigenen, d. h. deutschen Patriotismus fungiert, aufmerksam zu machen--sicherlich ein Zeichen wachsender Unmuendigkeit der deutschen Oeffentlichkeit. Innenpolitisch noch mehr als aussenpolitisch stelt dies, meiner Meinung nach, ein beunruhigendes Problem dar.
Posted by: Jack Ben-Levi | September 18, 2003 at 02:43 PM
Für ein vornehmes Beispiel einer Ausnahme von dem regelmäßigen Einstimmigkeit der deutschen Medien, gucken Sie mal die jüngsten Zeit an unter http://zeus.zeit.de/text/2003/33/irak_nagel
Posted by: AWZ | September 18, 2003 at 05:49 PM