Mi Sep 03, 02:38:51 PM
Die FAZ berichtet von einem von der Washington Times bekannt gemachten Geheim-Gutachten des Pentagon, das erhebliche Kritik an der Kriegsführung der US-Regierung enthalte.
Überschrift des FAZ-Artikels: Kritik an der Heimatfront: Hektisch und voller Fehler
Zitate aus dem Text: "Die Planungen der Bush-Administration für den Wiederaufbau Iraks sowie für die Suche nach Massenvernichtungswaffen sind nach einem geheimen Bericht aus amerikanischen Militärkreisen fehlerhaft und überstürzt ausgearbeitet worden. ... Zuvor waren bereits Berechnungen des amerikanischen Kongresses bekannt geworden, wonach die Vereinigten Staaten bei einer Beibehaltung ihrer jetzigen Militärstruktur den Irak-Einsatz deutlich zurückfahren müssen. ... Der demokratische Senator Robert Byrd, der die CBO-Studie angefordert hatte, kritisierte, die Regierung strapaziere die eigenen Soldaten im Irak bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit. " Unterschrift zu einem Foto von Bush: Bush: "Ohne Plan in den Krieg?"
Der FAZ-Artikel liest sich wie die Beweisführung eines Staatsanwaltes, der von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist. Alles, was gegen den Angeklagten spricht, wird aufgelistet. Entlastendes wird nicht genannt. Die - für Bush negativen - Schlussfolgerungen ("Ohne Plan in den Krieg?") ergeben sich logisch aus der einseitigen Zusammenstellung der Zitate des Pentagon- und des Kongress-Berichtes.
Was fehlt, sind die in dem von der Washington Times beschriebenen Pentagon-Bericht eben auch enthaltenen neutralen oder positiven Wertungen der Irak-Strategie der US-Regierung: "The next grade was "capabilities that demonstrated effectiveness, but need enhancement." Public affairs, special-operations forces, finding bombing targets and tracking the whereabouts of friendly troops received the grade. ... The highest marks came under the category of "capabilities that reached new levels of performance and need to be sustained and improved." Joint service warfare, a key war-fighting requirement of Mr. Rumsfeld, got this high grade, as did global war-gaming. ... The report also gave high marks to bombing "time-sensitive" targets. In the 2001 Afghanistan war, the report says, Gen. Franks and Mr. Rumsfeld had to approve the target list. But in Iraq, the command improved guidance and procedures so that commanders could launch strikes when targets emerged."
Die Irak-Strategie der US-Regierung wurde also in der Pentagon-Studie nicht generell als "hektisch und voller Fehler" bezeichnet. Hektik und Fehler gab es, aber nur in einigen Bereichen: ein für militärische Unternehmungen bekanntes Szenario. In anderen Bereichen wurden laut Gutachten durchaus positive Leistungen erbracht. Natürlich findet sich in der Pentagon-Studie auch nichts, was das FAZ-Urteil "Ohne Plan in den Krieg?" rechtfertigen würde. Es ist in der US-Politik durchaus üblich, zeitnah zu einer Aktion selbstkritische Analysen vorzunehmen und dann schnell Konsequenzen zu ziehen. Deutsche Medien - an diesen Politik-Ansatz nicht gewöhnt - brauen aus solchen Analysen ein übles Gemisch aus Verdächtigungen und Vorurteilen. Typisch die in eine Prognose versteckte Hoffnung der FAZ: "Der Pressebericht dürfte die Kritik an der Bush-Regierung wegen der immensen Kosten des Wiederaufbaus und der hohen Opferzahl unter den amerikanischen Soldaten nach dem von Bush Anfang Mai verkündeten offiziellen Ende der Kampfhandlungen weiter schüren." Wer hier schürt, ist die FAZ.
Nebenbei: ausgerechnet den demokratischen Senator Robert Byrd als Zeugen für die Kritik an der Bush-Regierung heranzuziehen, ist wirklich ein kleiner Edelstein des Kampagnenjournalismus. Byrd hat es sich zur Hauptaufgabe der Spätphase seiner Karriere gemacht, jeden Schritt der Bush-Regierung im Irak-Krieg ätzend zu kritisieren. Das wäre etwa so, als ob man im Ausland als glaubhaften Zeugen für den schlechten Zustand der CDU den SPD-Fraktionschef Müntefering zitierte. Aber soweit würden es ausländische Medien aus Sorge um ihre journalistische Ehre kaum treiben...
Die von der FAZ zitierte Untersuchung des "Congressional Budget Office" (CBO) (s.o.) weist übrigens auf Seite 28 aus, daß die aktuellen Kosten-Schätzungen der Irak-Besetzung im Vergleich zu einer CBO-Schätzung von vor einem Jahr NIEDRIGER liegen, sowohl in der Gesamtsumme, also auch auf einer Pro-Soldat-Basis. Im September 2002 schätzte die CBO die Kosten der Besatzung - je nach Truppenstärke - auf monatlich 1,4 - 3,9 Milliarden US-Dollar insgesamt bzw. auf 18,700 - 19,500 US-Dollar pro Soldat. Die Werte der aktuellen Schätzung vom September 2003: monatlich 1,2 - 1,6 Milliarden US Dollar insgesamt bzw. 14,900 - 17,200 US-Dollar pro Soldat. Die Unterschiede erklären sich zum wesentlichen aus präziseren Schätzmethoden: "That revised methodology yields estimates that are about 10 percent to 25 percent lower on a per-person basis than the estimates published in September 2002" (S. 28 des Berichts). Das CBO bezeichnet seine aktuelle Schätzung sogar als niedriger als die bisherigen Schätzungen des DOD (US-Verteidigungsministerium) (S. 30 des Berichts).
Noch einmal: die Besatzung wird BILLIGER als angenommen - aber die FAZ kommentiert die neuen Zahlen im Sinne einer unerfreulichen Überraschung bei den Kosten. Oh heilige deutsche Medien-Einfalt!
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